WORX

Ehre, wem Ehre, Würde, wem Würde gebührt

Eine Einführung zum Stück "Peitschenstück"

Artikel 1 des Grundgesetzes stellt die Würde eines jeden Menschen unter den Schutz der Unantastbarkeit. Doch: Worüber reden wir, wenn wir „Würde“ sagen? 

von Johannes Nölting | 03.05.24

© Moritz Haase

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Das demokratische Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland manifestiert sich in Artikel 1 des Grundgesetzes mit dem wohlbekannten, zumindest aber wohlgemeinten Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Die Schönheit dieses Satzes liegt in seinem Anspruch und gleichzeitig in seiner Fragilität, denn wie selbstverständlich wird sie angetastet, jeden Tag. Jeden Tag wird in Deutschland Menschen das Menschsein abgesprochen. Artikel 1 jedoch gibt zumindest dem hehren Versprechen Raum, dass dies nicht juristisch und von Seiten des Staates geschehe. Immerhin, ein Versprechen.

Doch worüber reden wir, wenn wir „Würde“ sagen? Ist die Würde der einen wichtiger als die der anderen? Wer gilt uns als Mensch, dem diese zustehe? Denn die Abwägung zwischen Würde und Stolz der einen, die im Status quo ihre Erfüllung finden und in jedem Antasten der Verhältnisse sich selbst angetastet sehen; und denjenigen, die für ein würdevolles Leben eine Veränderung eben jener Verhältnisse bräuchten, ist eine politische. Die Würde also ist eine Frage der Politik. Das Verteidigen des Menschen als demjenigen, dem Würde gebührt – ebenso eine Frage der Politik. In einer Demokratie ist die Politik eine Frage der Menschen.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1

"Peitschenstück" von Damon Taleghani in der Inszenierung von Alireza Daryanavard geht den Fragen und den in Deutschland gelinde gesagt nicht immer eindeutigen Trennungen zwischen Ehre und Würde sowie zwischen humanistischen und monetären Interessen satirisch nach und untersucht assoziativ die Selbsterniedrigung, die darin liegt, uns selbst nicht die Würde zuzugestehen, die Würde anderer anzuerkennen.

Alireza Daryanavard ist Performancekünstler, Regisseur und Autor, geboren im Iran. Seine mit politischem Aktivismus und Recherchearbeiten verbundene Theaterpraxis wurde mehrfach für den NESTROY-Theaterpreis nominiert. In der Spielzeit 2023/24 ist er Stipendiat im Rahmen des internationalen Residenzprogramms für junge Regie WORX am Berliner Ensemble.

Damon K. Taleghani ist Autor, Musiker und Performer. Er studierte Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien und lebt in Berlin. Seine Veröffentlichungen umfassen Texte in Literaturzeitschriften, mehrere Musikvideos sowie performative Lesungen.

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